Schwarz gebaut, trotzdem versichert
23.08.2004Der Hauptgeschäftsführer der Verbände der Holz- und Möbelindustrie, Dirk-Uwe Klaas, erklärt:
Gut versichert bei der Schwarzarbeit - in Deutschland völlig normal. Dank der Regelungen im Sozialgesetzbuch VII genießen auch illegal Beschäftigte den vollen Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Schwarzarbeiter haben damit Anspruch auf Zahlung einer lebenslangen Rente der Berufsgenossenschaften, die für Unfälle auf deutschen Schwarzbaustellen mit schätzungsweise 1,4 Milliarden Euro pro Jahr gerade stehen. In Regress genommen wird dafür niemand. Im Gegenteil: Der großzügige Versicherungsschutz für Illegale wird allein aus den Beiträgen der ehrlichen Arbeitgeber finanziert. Das System bittet sie zur Kasse, statt die Unehrlichen zu verfolgen. Und die Subvention für Schwarzarbeit ist nur die Spitze der Ungereimtheiten bei den Berufsgenossenschafen, die für Arbeitgeber zunehmend zur Belastung werden.
Das System bittet zur Kasse
Als Otto von Bismarck vor 120 Jahren die gesetzliche Unfallversicherung einführte, waren Lohnzusatzkosten kein Thema. Deshalb werden ihre Leistungen bis heute allein von den Arbeitgebern finanziert, die Arbeitnehmer zahlen keinen Cent dazu. Trotzdem bestimmen die Gewerkschaften mit, denn die nach Branchen gegliederten Berufsgenossenschaften werden paritätisch verwaltet. Und sie schlucken immer mehr Geld: Drei Millionen pflichtversicherte Unternehmen haben im vergangenen Jahr rund neun Milliarden Euro an Beiträgen überwiesen.
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Insolvenzgeld gehört zur Arbeitsverwaltung
Schuld am wachsenden Finanzbedarf der Berufsgenossenschaften ist aber nicht das Unfallrisiko, denn seit Jahren verunglücken erfreulicherweise immer weniger Arbeitnehmer in deutschen Betrieben. Der Hauptgrund ist die Insolvenzgeldumlage, die sich zwischen 1990 und 2002 mehr als verzehnfacht hat. Das Insolvenzgeld ist eigentlich als kurzfristige Stütze für die Beschäftigten zahlungsunfähiger Firmen vorgesehen - es droht aber bei schwacher Konjunktur zu einer Strafsteuer für gesunde Betriebe zu verkommen. Die Zeche für die Pleitewelle zahlen diejenigen Unternehmer, die als Arbeitgeber übrig bleiben. So kostet allein die Insolvenzgeldumlage einen mittelständischen Betrieb der Möbelindustrie mit rund 200 Beschäftigten mehr als 35 000 Euro jährlich. Die Entwicklung erinnert an das kollabierende Rentensystem: Immer weniger Einzahler müssen immer höhere Ausgaben leisten.
Dabei versteht niemand so recht, warum die Insolvenzgeldumlage, die nichts mit Unfallschutz zu tun hat, überhaupt von den Berufsgenossenschaften eingezogen wird. Sie gehört zur Arbeitsverwaltung und sollte auch von dieser getragen werden, sei es als Teil der Arbeitslosenversicherung oder aus Steuermitteln. Es wäre nur logisch, wenn die Bundesagentur für Arbeit auch aus eigenen Mitteln auszahlen müsste, was sie bewilligt, statt über den Umweg der Berufsgenossenschaften die Unternehmen immer kräftiger zur Kasse zu bitten. Außerdem sollte eine Obergrenze für die Auszahlung von Insolvenzgeld – etwa in Höhe von 80 Prozent des Nettolohnes – eingezogen werden, was ebenfalls Kosten dämpfenden Charakter haben dürfte.
Überversorgung durch doppelte Renten
Als teure Hypothek aus der Vergangenheit haben sich auch die Unfallrenten erwiesen, die grundsätzlich lebenslang gezahlt werden. Warum, ist nur noch historisch zu erklären, denn zu Bismarcks Zeit erreichte kaum ein Arbeitnehmer das gesetzliche Rentenalter. Heute bezieht schon jeder zweite Leistungsempfänger der Holz-Berufsgenossenschaft seine Unfallrente zusätzlich zur gesetzlichen Altersrente bis an sein Lebensende. Damit wird ein Ausgleich für verminderte berufliche Leistungsfähigkeit an Menschen ausgezahlt, die schon im Ruhestand sind - unlogisch. Der demografische Faktor sorgt zudem dafür, dass die Summe der Zahlungen unaufhaltsam ansteigt, obwohl immer weniger neue Fälle hinzu kommen. Diese "kleinen" Unfallrenten türmen sich zu einem großen Kostenfaktor auf. So zahlt die Holz-Berufsgenossenschaft 85 Prozent ihrer Verletztenrenten für relativ leichte Unfälle. Fielen diese weg oder würden durch Pauschalen deutlich reduziert, könnten die Beiträge zur Holz-Berufsgenossenschaft um bis zu 50 Prozent gesenkt werden.
Wegeunfälle privat absichern
Es muss auch darüber nachgedacht werden, den Leistungskatalog der gesetzlichen Unfallversicherung einzuschränken. Bislang kommen die Berufsgenossenschaften auch für Unfälle auf dem Weg zwischen Arbeitsstätte und Wohnort auf. Diese so genannten Wegeunfälle stehen jedoch in keinem Zusammenhang mit dem Unternehmen und sind deshalb auch nicht von diesen zu verantworten. Ein moderater Beitrag der Arbeitnehmer zu ihrem eigenen Unfallschutz, etwa durch eine private Zusatzversicherung, darf nicht länger ein Tabu bleiben.
Die gesetzliche Unfallversicherung bläht sich fast unbemerkt immer weiter auf. Rentenkasse und Gesundheitswesen haben sich der Diskussion um ihre Leistungen und deren Finanzierung längst stellen müssen. Jetzt sind mutige Reformschritte gefragt, um endlich auch die Berufsgenossenschaften auf Sparkurs zu bringen. Die Forderungen: Schluss mit der stillschweigenden Duldung von Schwarzarbeit, Abkoppeln des Insolvenzgeldes und Begrenzen der Rentenzahlungen durch eine Pauschalabfindung für geringfügige Unfälle. Steigende Sozialabgaben gefährden Wachstum und Beschäftigung in deutschen Betrieben. Umso ärgerlicher, dass ehrliche Unternehmer auch noch für die schwarzen Schafe mitbezahlen müssen. Â
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