Der Barhocker
27.08.2004Bad Honnef. Richtig sitzen kann man meist auf einem Barhocker nicht, da man in der Regel nicht weiß, wohin man seine Beine und Füße stellen soll. Eigentlich – so teilt der Verband der Deutschen Möbelindustrie mit - ist so ein Hocker auch nur eine Sitzhilfe und dient der kürzeren Verweildauer verbunden mit einer eher lockeren Haltung. Ursprünglich waren alle Stühle ohne Rücken oder Seitenlehnen Hocker - in früheren Zeiten mit nur drei Beinen. Es handelte sich um eher einfache Stühle, die für bestimmte Zwecke zum Einsatz kamen, etwa als Melkschemel oder Fußhocker. In Küchen gab es in den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts auch schon Hocker berühmter Entwerfer, wie den Federdrehocker oder den Stahlrohrhocker von Egon Eiermann. Diese Hocker wurden zum sitzenden Arbeiten in der Küche genutzt und oft zur recht gefährlichen Treppenleiter umfunktioniert.
Mit dem Aufkommen von Bars, gewann der später und wahrscheinlich in den USA bzw. Nordamerika wiederentdeckte höhere Hocker zum \\\"Halbsitzen\\\", in den 60er Jahren in Deutschland an Bedeutung. Es gibt Nachweise von Sitz- bzw. Stehhilfen aus dem Altertum. Die Wiederentdeckung obliegt wahrscheinlich Nordamerika in Anlehnung an die an Zäune gelehnten Cowboys und die ersten Salons mit Ausschanktheke für den direkten und kurzweiligen Verzehr meist von Getränken.
In Fest eingebauter Variante oder frei vor der Theke stehend wurde er für die Gäste am Tresen weltweit eine richtige Mode. Als die Bars mit ihrer eigenständigen Kultur in Deutschland wieder verschwanden und man sich in den 80er Jahren lieber an schön gedeckten Tischen niederließ, verlor auch der Hocker – außer im Hotelgewerbe und in Kneipen – an Wichtigkeit. Gleichzeitig wurde aber mindestens seit Mitte der 80er Jahre im privaten Wohnbereich die Küche aufgewertet und dann auch der angebaute Tresen etwa zum kurzweiligen Frühstück unter der Woche beliebt. Hierzu war nun das Format der Barhocker wieder notwendig. Durch diese Entwicklung in der privaten Wohnkultur der Küche erlebte der Barhocker wieder deutlich einen Aufwind. Zeitgenössische Küchen sind mindestens zu einem Drittel mit Tresenlösungen ausgestattet, so dass der Barhocker notwendig wird. In der Küche dient er übrigens auch als integrierendes Möbel, da durch die Sitzhöhe ein Gast mit der in der Regel stehend kochenden Person auf fast gleicher Höhe in Kommunikation treten kann.
In den 80er und 90er Jahren entstanden zudem im öffentlichen Raum unzählige Stehcafes und Bistros. Meist im Zusammenhang mit den gewerblichen Vorschriften einer Konzession kamen und kommen hier nur Barhocker, zum kurzzeitigen Verzehr in Frage. Seit Beginn des neuen Jahrtausends entwickelt sich auch in Deutschland – vor allem in den großen Städten - eine Lounge-Kultur. Neben den dort zu findenden Clubsesseln in großartigen Formaten und Ausführungen haben die meisten Lounges auch einen Barbereich. Hier – ganz klar – sind auch wieder Barhocker im Spiel. Außerdem sind unter dem Namen \\\"Designer-Hotel\\\" in den vergangenen Jahren etliche Häuser entstanden oder umgebaut worden, bei denen eine Bar nicht fehlen darf. Daher nehmen sich lebende Designer-Legenden wie Phillipe Starck auch der Gestaltung von Barhockern an.
Durch die wachsende Nachfrage - also einmal durch die Gestaltung privater Küchen und zum andern aus dem Gaststätten- und Hotelgewerbe - werden inzwischen auch Barhocker von Entwürfen aus dem sogenannten Klassiker-Bereich, etwa von Marcel Breuer oder Ludwig Mies van der Rohe wieder aufgelegt.
Insgesamt ist heute der Vielfalt bei den Varianten kaum eine Grenze gesetzt. Gern sind Barhocker aus einer Kombination Metall – oft Stahlrohr – und Holz oder Flechtwerk als Sitzfläche. Auch gibt es gepolsterte Barhockersitzflächen mit unterschiedlichsten Bezugsstoffen gern auch mit Leder- oder Kunstlederbezug. Bei den Stoffen sind die Dessins ebenfalls von Vielfalt im Angebot geprägt. Man kann florale Muster neben Streifen oder Unis bekommen. Auch sind abstrakte Muster mit leuchtenden Farben als Recycling von besseren Zeiten aus den späten 60er Jahren wieder beliebt. So kann man heute auf der berühmten \\\"Pril-Blume\\\" sitzen. Wenn man reine Holzhocker sieht, so sind diese aus den verschiedensten Holzarten. So kommt das Holz der Buche, der Erle, der Eiche oder als Weichholz der Fichte oder Kiefer zum Einsatz. Diese sind natürlich gegenüber den aus Materialmischungen bestehenden Barhockern mit Sitzpolster vergleichsweise preiswert. Es gibt heute Klappbarhocker, die man bei nicht Nutzung bequem wegräumen kann und die kaum Stauraum benötigen. Sehr edle Kombinationen aus dickem Edelstahldraht, matt gebürstet, in Kombination mit einer Sitz- und Lehnfläche aus Flechtwerk wirken in so mancher Küche auch als ästhetischer Blickfang. Das solche extravaganten Entwürfe von berühmten Designern mehr kosten als der 0-8-15 Barhocker liegt auf der Hand. Auch in diesem Segment polarisieren die Preise zwischen billig und teuer deutlichst.
Der Barhocker wird unserer Prognose nach seine Stellung noch ausbauen können. Private Küchen werden weiter flexibel gestaltet und im Gastronomiegewerbe nimmt der schnelle Besuch weiter zu. Die ganze Bewegung des \\\"Finger-Food\\\" ist nur Ausdruck des Lebens in Zeitknappheit. Und dabei muss und will man sich nicht gemütlich und in aller Ruhe niederlassen. Nicht mehr weg zu denken ist der Barhocker aus originären Bars, Nachtclubs, Diskotheken etc., die auch in der Zukunft als wichtige Institutionen der Freizeit dienen werden. Der Partykeller übrigens – in dem in den 60er und 70er Jahren an Barhockern gefeiert wurde -, wurde schon durch die neue, kommunikative Küche als Raum und in seiner Funktion abgelöst ... und getanzt wird dort um halb drei Nachts auch.
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